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Das Vermächtnis des Störvaters

Grusswort von Jochen Bölsche (AG Osteland) zur Einweihung des "Wolfgang-Schütz-Aquariums" im Natureum Niederelbe am 4. Juni 2015

Die Ausrottung des Störs in der Oste vor gut 100 Jahren ist verschiedentlich beschrieben worden, unter anderem von unserer fleißigen Regionalhistorikerin Gisela Tiedemann-Wingst. Und sie ist nicht nur beschrieben, sondern sogar auch besungen worden - von unserer Hemmoorer Liedermacherin Hanni Milan. Da heißt es, nach der Melodie von "An der Nordseeküste", unter anderem: "Es ist schon so lange, so lange her, / da gab's in der Oste Madame und Herrn Stör. / Sie schwammen bei Ebbe, sie schwammen bei Flut, / doch der Mensch nahm ihn'n alles, sogar ihre Brut... Erst war es der Hunger, dann war es die Gier, / so verschwanden die Störe, die Störe von hier."

Aber ich will hier heute nicht über das Verschwinden des Europäischen Störs aus der Oste (und aus nahezu ganz Europa) sprechen, sondern an die allerersten Weichenstellungen für seine Rückkehr sprechen - und damit eine Erfolgsgeschichte erzählen, die eng mit dem "Störvater" Wolfgang Schütz verbunden ist, nach dem heute das Aquarium hier im Natureum Niederelbe benannt wird.
 
Das Natureum übrigens ist - kaum einer weiß das noch - so etwas wie die Wiege der Störschutzbewegung im Osteland. Denn im April 1993 - vor 22 Jahren, drei Jahre nach der Natureum-Gründung - tagte hier unter der Federführung des Lehrers Wolfgang Matthies, des seinerzeitigen 1. Vorsitzenden des SFV Oste, eine "Arbeitsgruppe Stör". 
 
Der Chronist hielt damals fest: "Matthies betonte unter anderem die Wichtigkeit dieses Projektes, um das Ansehen der Sportfischer in der Öffentlichkeit zu festigen."
 
Erst ein Jahr später, 1994, wurde die bundesweit agierende Gesellschaft zur Rettung des Störs mit Sitz in Rostock gegründet. 
 
Nachdem Wolfgang Matthies 1995 - also vor 20 Jahren - sein Amt aus Altersgründen an Wolfgang Schütz abgegeben hatte, setzen der SFV und die von ihm inspirierte  Ostepachtgemeinschaft die Artenschutzarbeit fort. Bereits ein Jahr später wird die Ostepachtgemeinschaft ordentliches Mitglied der Gesellschaft zur Rettung des Störs -  als bundesweit erster Verband.
 
Diese Pionierrolle der Angler von der Oste verwundert nicht, wenn man weiß, dass der Artenschutz gerade an unserem Fluss, von Sittensen bis Neuhaus, bereits damals eine gewisse Tradition hatte. Denn hier war schon in den 80er Jahren die Wiederkehr des gleichfalls ausgerotteten Lachses eingeleitet worden - eine ökologische Großtat, die mich im August 2000 nach meiner Übersiedlung nach Osten und nach ersten Kontakten mit Wolfgang Schütz und seinen Vorstandskollegen Horst Ahlf und Torsten Thorhorst veranlasst hat, im SPIEGEL über "Das Wunder an der Oste" zu berichten, den damals weithin "unbekannten Fluss". 
 
Ich zitiere einige wenige Absätze aus der sechs Seiten langen Reportage:
 
"... jüngst hat es die nasse Unbekannte zu einer gewissen Prominenz gebracht... In der Oste, enthüllten Experten auf einer Tagung im schleswig-holsteinischen Warder, sei eine 'sich selbst reproduzierende Population des Lachses' ansässig - Deutschland hat wieder zumindest einen richtigen Lachsfluss.
 

Jährlich suchen schätzungsweise 600 Rückkehrer aus dem Atlantik, gesteuert durch ihren Heimkehrdrang, instinktsicher den stillen Strom auf, um sich in dessen Zuflüssen zu paaren - bis auf zehn Meter genau dort, wo sie sich Jahre zuvor selbst auf die Reise durchs Leben gemacht haben.

 

Dass gerade die Oste zum 'Paradegewässer für die Wiedereinbürgerung von Großsalmoniden in Deutschland' (VDSF) reüssieren konnte, ist nicht nur ihrer Wasserqualität zu verdanken, sondern vor allem der Dickschädeligkeit von ein paar sturmfesten Niedersachsen - voran zwei Handwerker von der Oste... Sie alle waren besessen von der fixen Idee, dass es möglich sein müsse, den verschollenen Fischkönig heimzuholen.

 

Bereits in den achtziger Jahren begannen die Idealisten, die Oste und andere norddeutsche Gewässer mit Import-Lachsbrut zu impfen. Männer wie der Zevener Elektroniker Ernst Peters oder der Lamstedter Betonbaumeister Egon Boschen überwachten Brutanlagen, sortierten Schimmeleier aus, markierten Jungtiere und massierten Männchen den schuppigen Leib, bis die so genannten Milchner ihr Sperma ejakulierten - und wurden prompt verhöhnt: Sie seien wohl 'brägenklöterig' (Plattdeutsch für bescheuert)."

 

So weit also einige Sätze aus der Reportage aus dem Herbst 2000. Dass dank der später so genannten "Lachsväter" Ernst Peters, Egon Boschen und ihrer Mitstreiter unsere Oste tatsächlich zu "Deutschlands Lachsfluss Nummer eins" geworden ist - das hat Männer wie Wolfgang Schütz ermutigt, die ungleich schwierigere Aufgabe anzupacken, den noch sensibleren Stör wieder anzusiedeln, dessen Bestände schon 50 Jahre vor denen des Lachses zusammengebrochen waren.

 

Im Jahr 2004, dem Gründungsjahr der AG Osteland, gelang es Wolfgang Schütz, den internationalen bekannten Störexperten Prof. Harald Rosenthal für einen Vortrag vor der OPG im heutigen Osteland-Festhaus zu gewinnen; ich selber - obwohl Nichtangler - habe damals begonnen, die Öffentlichkeitsarbeit für die Störfreunde um Wolfgang Schütz zu übernehmen.

 

Die Herausforderung war riesengroß: Der Europäische Stör hatte nur noch in der französischen Gironde überlebt, und der Zugang zu den einstigen Stör-Laichgründen des in der Oste und in ihren Zuflüssen war verbaut.

 

Zugute kamen uns da zu allererst die damals erfolgreich anlaufenden Nachzuchtversuche von Dr. Jörn Gessner vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei; Jörn Geßner ist übrigens 2011 gemeinsam mit Wolfgang Schütz - ebenso wie bereits 2005 Ernst Peters und  Egon Boschen - mit dem Goldenen Hecht der AG Osteland ausgezeichnet worden.

 

Frühe Unterstützung kam auch von vielen Menschen an der Oste. Ich erinnere nur an zwei Wissenschaftler mit Wurzeln in der Wingst bzw. in Hemmoor, Dr.-Ing. Sören Knoll und Dr. Andreas Müller-Belecke. Sie haben bereits 2005 ein Konzept zur Fischdurchgängigkeit von Schöpfwerken an der Tide-Oste erarbeitet - mit Unterstützung von Torsten Thorhorst aus Osten, der heute Nachfolger von Wolfgang Schütz im Vorsitz von SFV und OPG ist.

 

Bereits 2006 trat die Ostepachtgemeinschaft mit ihren 23 Vereinen und über 6000 Anglern der gerade zwei Jahre alten AG Osteland bei. Gekrönt wurde die Zusammenarbeit mit den Artenschützern 2009, im Jahr der Oste:

 

An einem "historischen Nachmittag", wie es in der SFV-Chronik heißt, schlossen sich in Bremervörde die Besatzgemeinschaften von Oberer und Unterer Oste, getragen von  insgesamt 33 Angelvereinen mit 8000 Mitgliedern, zur Arge Wanderfische Oste zusammen, die wiederum der AG Osteland beitrat.

 

Unsere Arge Wanderfische dient seither als Ansprechpartner für die Berliner Wissenschaftler.  Jörn Geßner leitete, ebenfalls 2009, in Bremervörde einen ersten Versuchsbesatz mit 55 teils mit einem Sender versehenen Jungstören der einst hier heimischen Art Acipenser sturio, begleitet von einem Forschungsboot namens "Acipenser".

 

Die folgenden größeren Besatzaktionen - 2011 auch an der Oberen Oste zwischen Brauel und Bremervörde, 2012 mit David McAllister in Oberndorf, 2013 in Elm, 2014 in Gräpel und heute morgen wieder in Elm - hat die AG Osteland jeweils begleitet mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit. 

 

Dazu zählte auch die Einweihung des schwimmenden Stördenkmals "Hein Stör", dessen Finanzierung und alljährliche Pflege Oberndorfer Ostefreunden wie Albertus Lemke, Bert Frisch und vielen anderen zu verdanken ist, dazu zählten die literarischen "Kaviarnächte" mit der Historikerin Tiedemann-Wingst auf dem "Ostekieker" der Familie Bünning, auch das zitierte Störlied von Hanni Milan, die schönen Störbilder der Grundschüler aus Oberndorf und Estorf sowie die Störfeste in Elm und Gräpel samt Spendensammlung durch die Vergabe von "Störpatenschaften". 

 

Und dazu zählten schließlich eine Radwanderung "Auf den Spuren der Wanderfische", dazu gehörten die Kooperation mit unserem Berufsfischer Walter Zeeck, unsere Wanderausstellung "Die Rückkehr des grauen Riesen" und ungezählte Beamer-Vorträge, unter anderem bei den  "Tagen der Fische" hier im Natureum, wo Wolfgang Schütz jeweils anhand eines Zwei-Meter-Zollstocks demonstrierte, seit wann der Urzeitfisch Stör, älter ist als die Dinosaurier, die Erde bevölkert hat und wie kurz daran gemessen die Zeitspanne ist, die der Mensch benötigt hat, dieses Mitgeschöpf - fast - komplett auszurotten.

 

Dank gebührt in diesem Zusammenhang meinen Journalistenkolleginnen und -kollegen von Presse, Funk und Fernsehen, die all diesen Aktivitäten immer wieder Aufmerksamkeit widmen - und damit, willkommene Nebenwirkung, dem lange Zeit vergessenen Fluss Oste wieder zu Aufmerksamkeit verhelfen und ihn damit auch als Ferienfluss und Angelrevier bekannt machen.

 

Ich denke dabei nicht nur an die Arbeit des Fachjournalisten Carl Werner Schmidt-Luchs und die vielen Beiträge in der gesamten Anglerpresse von "Fisch und Fang" bis "Rute und Rolle", sondern insbesondere die an herausragende, kontinuierliche Berichterstattung der Lokalpresse, etwa von Wiebke Kramp in der Niederelbe-Zeitung oder von Grit Klempow im Stader Tageblatt.

 

Diese Berichterstattung fördert das Verständnis für die enormen Bemühungen der Unterhaltungsverbände, das Fliessgewässersystem Oste wieder "fischdurchgängig" zu machen, was nicht nur Stör und Lachs, sondern allen Wanderfischen zugute kommt. Am Unterlauf ist das mit Hilfe von Experten wie Ulrich Gerdes (Hemmoor) bereits am Basbecker Schleusenfleth gelungen, und letzten Monat hat die Landesregierung weitere Gelder für den Hackemühlener Bach und den Heeßeler Mühlenbach bei Hemmoor zur Verfügung gestellt.

 

Im Kreis Rotenburg, wo unter anderem bereits das bekannte Sittenser Mühlenwehr durch eine Sohlgleite ersetzt worden ist, stehen auf der neuen Förderliste weitere Maßnahmen an der Oste und am Alpershausener Mühlenbach bei Hamersen, an der Bade bei Zeven und an der Bever bei Deinstedt. Für die letzte Problemstelle, das Bremervörder Wehr, steht eine Lösung allerrdings noch aus.
 

Unser Dank gebührt nicht zuletzt auch der Familie von Wolfgang Schütz, die sein einzigartiges Engagement unterstützt hat. "In memoriam Wolfgang Schütz" steht auf dem Titelbild eines Reprints der 16 Schautafeln unserer Stör-Wanderausstellung von 2009, deren erstes Exemplar ich nachher Gisela Schütz überreichen werde. 

 

Für Sie alle liegen außerdem Originalexemplare der von Wolfgang Schütz zusammengestellten und von Karl-Heinz Brinkmann gestalteten vorzüglichen SFV-Jubiläumsschrift bereit, die auf über 100 Seiten mehr als 200 Bilddokumente auch zum Thema Wanderfische enthält und die als eine Art Vermächtnis unseres Störvaters verstanden werden kann.

 

Bevor ihn im November seine Krankheit ans Bett fesselte, war es unserem langjährigen Osteland-Vorstandsmitglied vergönnt, an einigen wichtigen Ereignissen teilzuhaben: der Benennung des Störs durch den Deutschen Angelfischerverband (DAFV) zum "Fisch des Jahres 2014", das Erscheinen des dazugehörigen DAFV-Fachbuches mit dem von ihm mitverfassten Kapitel "Angler und Naturschutz - das Beispiel der Oste und ihrer Wanderfische", die Auszeichnung der Stör-Wiederansiedlung als "Beispielprojekt der UN-Dekade der biologischen Vielfalt" und das Erscheinen eines in hoher Auflage verbreiteten Infoblattes des Landessportfischerverbandes Niedersachsen, in dem es heisst: "Die Arbeiten zur Wiederansiedlung des Störs in der Oste sind beispielhaft."

 

Dass bundesweit zuletzt 3.000 von 10.000 Jungstören in der Oste freigesetzt worden waren - dies dokumentierte, wie Wolfgang Schütz vor einem Jahr vor den Mitgliedern der Fachgruppe Schifffahrt und Gewässer der AG Osteland sagte, den "hohen Stellenwert" unseres Flusses nicht nur innerhalb des Elbeeinzugsgebiets, sondern die Bedeutung der Oste mit ihren Anwohnern und Akteuren auch als "Eckpfeiler des internationalen Wiedereinbürgerungsprojekts".

 

Im selben Vortrag zitierte Wolfgang Schütz ein Grußwort, das Professor Rosenthal, der Präsident der Weltgesellschaft zum Schutz der Störe, den Ostefreunden anlässlich des Stör-Erstbesatzes im April 2009 übermittelt hatte. Darin heißt es: "Man braucht einen langem Atem für die Störe, ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen haben." 

 

In diesem Sinne wollen wir gleich nach dem Vortrag von Jörn Gessner bei einer Tasse Kaffee darüber sprechen, wie wir die Begeisterung von Wolfgang Schütz für dieses weltweit beachtete Projekt nach seinem Tod wachhalten und weitergeben können. Sie alle sind zu diesem Gespräch herzlich eingeladen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und schließe mit dem Refrain des Stör-Liedes von Hanni Milan: "In der schönen Oste, im plattdeutschen Land, will der Stör wieder leben, drum gebt ihm 'ne Chance."

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